Sexuelle Gesundheitsdienste sind ein grundlegender Bestandteil einer umfassenden Gesundheitsversorgung, aber marginalisierte Bevölkerungsgruppen stoßen häufig auf systemische Barrieren, die ihren Zugang zu kulturell kompetenter und umfassender Versorgung einschränken.
Dieser Bericht zur Feldstudie stellt eine gründliche Untersuchung der sexuellen Gesundheitsversorgung für queere afrikanische Gemeinschaften in Berlin und Brandenburg vor – eine Bevölkerungsgruppe, die sich an der Schnittstelle mehrerer marginalisierter Identitäten befindet. Die Studie entsteht vor dem Hintergrund der dokumentierten Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung, die sowohl LGBTQIA+-Personen als auch afrikanische Diaspora-Gemeinschaften in ganz Europa betreffen, mit besonderem Augenmerk auf die zusätzlichen Herausforderungen, mit denen diejenigen konfrontiert sind, die sich mit Migrationsstatus, rassischer Identität und nicht-heteronormativen sexuellen oder geschlechtlichen Ausdrucksformen auseinandersetzen müssen.
Die Studie wurde konzipiert, um kritische Lücken im derzeitigen Verständnis zu schließen:
- die intersektionellen Erfahrungen von queeren Afrikaner*innen beim
- Zugang zu sexuellen Gesundheitsdiensten,
- systemische Barrieren, die Ungleichheiten in der Gesundheitsversorgung aufrechterhalten, und evidenzbasierte Strategien zur Verbesserung der Leistungserbringung.
Durch die Fokussierung auf die Metropolregion Berlin-Brandenburg – Heimat der größten afrikanischen Diaspora-Gemeinschaft in Deutschland – liefert diese Studie lokalisierte Erkenntnisse mit potenziellen Implikationen für die Verbesserung der sexuellen Gesundheitsgerechtigkeit in ähnlichen städtischen Kontexten in ganz Europa.
Diese Untersuchung ist angesichts der fortschrittlichen Gesundheitspolitik in Deutschland, die dennoch anhaltende Umsetzungslücken für marginalisierte Gruppen aufweist, besonders aktuell. Jüngste Studien des Robert-Koch-Instituts (2022) und der Magnus-Hirschfeld-Stiftung (2023) haben Ungleichheiten beim
PrEP-Zugang und bei der kulturell kompetenten Versorgung von LGBTQIA+-Populationen und Migrantengemeinschaften aufgezeigt, obwohl keine dieser Studien speziell die intersektionalen Erfahrungen von queeren afrikanischen Personen untersucht hat. Unsere Ergebnisse zielen darauf ab, politische Entscheidungsträger, Gesundheitsdienstleister und Gemeinschaftsorganisationen zu informieren, die an der Schnittstelle von Migration, sexueller Gesundheit und LGBTQIA+-Rechten arbeiten.
ZIELE
Mit der Studie wurden vier Hauptziele verfolgt:
- Bewertung des gegenwärtigen Niveaus der kulturellen Kompetenz und Inklusivität bei Diensten der sexuellen Gesundheit.
- Ermittlung spezifischer Herausforderungen und Hindernisse, denen sich queere afrikanische Menschen beim Zugang zu sexuellen Gesundheitsdiensten gegenübersehen.
- Untersuchung, wie sich kulturelle Kompetenz auf die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, die Patient*innenzufriedenheit und die Gesundheitsergebnisse auswirkt.
- Erarbeitung von Empfehlungen für Gesundheitsdienstleistende zur Verbesserung der Inklusivität und kulturellen Sensibilität.
Wichtigste Ergebnisse
Kulturelle Kompetenzlücken:
- Nur 32,7 % der Teilnehmenden kannten LGBTQIA+-spezifische
Ressourcen für sexuelle Gesundheit. - 44,9 % hatten Schwierigkeiten, Anbieter zu finden, die sowohl für
LGBTQIA+ als auch für afrikanische kulturelle Bedürfnisse ausgebildet sind.
Strukturelle Hemmnisse:
- Sprache: 26,5 % sahen sich mit sprachlichen Hindernissen konfrontiert; 61,3 % bevorzugten Materialien in Englisch oder Französisch.
- Diskriminierung: 18,4 % berichteten über Vorurteile aufgrund der sexuellen Ausrichtung/Geschlechtsidentität.
- Erschwinglichkeit: 22,4 % nannten unerschwingliche Medikamentenkosten (z.B. PrEP/PEP).
Vertrauen und Vertraulichkeit:
- Während 65,3 % der Befragten Vertraulichkeit für wichtig hielten, vertrauten
nur 55,1 % darauf, dass die Anbieter die Privatsphäre wahren.
Kritische Empfehlungen
Institutionelle Reformen:
- Vorgabe einer intersektionellen Schulung zur kulturellen Kompetenz für
Gesundheitsdienstleistende. - Ausbau der mehrsprachigen Ressourcen (z. B. übersetzte Materialien,
Dolmetscherdienste).
Gemeinschaftszentrierte Lösungen:
- Partnerschaften mit afrikanischen Queer-Organisationen für
maßgeschneiderte Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung. - Finanzierung von subventionierten Medikamentenprogrammen und
gestaffelten Gebühren.
Politische Fürsprache:
- Partnerschaften mit afrikanischen Queer-Organisationen für
maßgeschneiderte Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung. - Finanzierung von subventionierten Medikamentenprogrammen und
gestaffelten Gebühren.
Aufruf zum Handeln
Diese Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit, sexuelle Gesundheitsdienste in integrative, gerechte Systeme umzuwandeln. Der Erfolg erfordert die Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsträgern, Gesundheitseinrichtungen und afrikanischen Queer-Communities. Durch die
Umsetzung dieser Empfehlungen können Berlin und Brandenburg ein Modell für eine fortschrittliche Versorgung marginalisierter Bevölkerungsgruppen auf der ganzen Welt sein.
Erstellung des Berichtes / Dank:
Dieser Bericht wurde unter der Leitung von Abdul-Wadud Mohammed (Principal Investigator) erstellt, einem ghanaischen Forscher und Menschenrechtsaktivist mit acht Jahren Erfahrung im Bereich LGBTQ+-Rechte und einem MA in Menschenrechten. Seine Arbeit in den Bereichen Community-Mobilisierung,
politische Interessenvertretung und intersektionale Forschung fließt in die differenzierte Untersuchung des Zugangs zu sexueller Gesundheit für queere afrikanische Gemeinschaften in Deutschland ein.
Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Sidekicks.Berlin durchgeführt, mit strategischer Beratung durch Stephan Jäkel und Rolf de Witt. Ihre Partnerschaft war entscheidend für die Verbreitung der Umfrage, die Datenerhebung und die kreative Kommunikation (einschließlich Grafik- und Videoproduktion).
Finanziert wurde die Befragung durch die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege.
Der Forscher spricht seinen tief empfundenen Dank an:
- Schwulenberatung Berlin für die institutionelle Unterstützung und die
Bereitstellung einer Plattform für diese wichtige Arbeit; - LesMigraS und Casa Kuà für die Verbreitung der Umfrage in ihren
Gemeinschaften. - Katja Kinder (ADEFRA) für die Erleichterung der Teilnehmerrekrutierung
über ihre Netzwerke;
Impressum:
Schwulenberatung Berlin gGmbH
sidekicks.berlin
Hermannstraße 256-258
12049 Berlin
www.sidekicks.berlin
www.schwulenberatungberlin.de
Dezember 2024
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