
Drug-Checking in Berlin
6. Juni 2023
man*check ist jetzt sidekicks.berlin
10. Juli 2023Was ist Chemsex?
Wenn Menschen Sex und Drogen auf privaten Partys (sog. „Chills“) kombinieren, wird das Chemsex genannt. Hier ein paar typische Szenarien:
Substanzen & Konsumformen
Tina (Crystal Meth), Mephedron, G (GHB/GBL) und teilweise auch Monkey Dust sind die Hauptdrogen, wenn es um Chemsex geht. Oft spielen auch noch andere Substanzen eine Rolle, die einzeln oder gemischt genommen werden. Wie konsumiert wird, unterscheidet sich je nach Droge und je nachdem, was die Menschen in der Gruppe bevorzugen.
Nicht alles eignet sich in Kombination! Mischkonsum belastet den Kreislauf und macht die Wirkung unberechenbarer.
Tina und Mephedron können auch geslammt werden – also intravenös konsumiert. Dadurch, dass die Substanz beim Slamming direkt in die Blutbahn kommt, wird die Wirkung viel direkter und intensiver erlebt. Beim Slamming ist das Risiko einer Abhängigkeit darum deutlich höher als bei anderen Arten zu konsumieren.
Wenn du deine Risiken managebar halten willst, verzichte lieber auf Slamming und Tina.
Wie fühlt man sich bei Chemsex?
Die Effekte der typischen Chemsex-Drogen und des Partysettings:
- Gute Laune, Gesprächigkeit
- Gefühle von Verbundenheit und Gemeinschaft
- Lust/Geilheit
- Mut, Direktheit, Unbekümmertheit, Enthemmung, Schamlosigkeit
- Sex erscheint wichtiger und erfüllender
- Menschen erscheinen attraktiver
- Größere Offenheit für neue (Arten von) Partner*innen und Sexpraktiken
- Schwierigkeiten, eine Erektion zu bekommen (wird oft mit Potenzmitteln „gelöst“)
- Schwierigkeiten, zum Orgasmus zu kommen
- Nicht genug kriegen, nachlegen wollen, nicht aufhören wollen
Bei Überdosis:
- Einschlafen, Krampfanfall oder Koma (G-Überdosis), Tod
- Hyperaktivität, Konzentrationsschwierigkeiten
- Insbesondere bei mehrtägigen Sessions oder häufigerem/längeren Konsum möglich: Psychosen, Panikattacken, Verfolgungsgedanken, Entwicklung von Abhängigkeit
Mögliche Nachwirkungen:
- Emotionales Down während der ersten Tagen nach dem Event
- Katerstimmung und körperliche Erschöpfung, insb. nach längeren Sessions
- Starkes Verlangen nach einer Droge oder der nächsten Chemsex-Session
- Bei häufigerem und längerem Konsum wird es wahrscheinlicher, dass du dich depressiv, unwohl oder gereizt fühlst. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, eine Abhängigkeit zu entwickeln.
Wie erkenne ich Angebote von Chemsex?
Beispiele auf Deutsch:
„Magst du pp chems?”
„Bin high und horny, Lust?”
„Bock auf’n bare dreier jetzt? Chemsfriendly.”
„Gerne long session”
Beispiele auf Englisch:
“Into longtime”
“Kind of high and horny from party. You into that?”
“High slam bottom pig here”
“u horny now too? like session?”
Auf Datingportalen oder im Club ist dir vielleicht schon mal so ein Satz begegnet. Oft benutzen die Leute Codes, mit denen sie zeigen, dass sie Chemsex machen oder offen dafür sind.
Gängige Codes
- Chill, chillout
- Chemsex-Homeparty
- Afterhour
- Homeparty nach einer Clubnacht mit offenem Substanzgebrauch – muss nicht sexuell geprägt sein
- chems friendly, chemfriendly
- Interessiert an Chemsex
- long session, longtime, chem session
- Chemsex-Session
- Tina, Crystal, 💎, großgeschriebenes T mitten im Wort
- Konsum von Crystal Meth
- slam, slamming
- intravenöser Konsum (mit Spritze)
- Party, PnP, party and play
- Chemsex
- HnH, high and horny, high fun
- Chemsex
- Fly, Flug, Fliegen, ✈️, 🚀
- Konsum von Crystal Meth
- clouds, ggf. Fotos mit Wolken oder Rauch
- Rauchen von Crystal Meth
- high, drauf, druff, verpeilt, verballert, zugedröhnt, spun
- Substanzgebrauch
- pp
- Poppers
Tipps für deinen ersten Chill
Das meiste rausholen
Sei im Moment: High können auch Datingapps oder Pornos total faszinierend sein. Du entscheidest, wie lange du am Handy sein willst und wie viel du dich mit den Leuten vor Ort beschäftigst.
Äußere deine Wünsche: Chemsex-Partys können ein Ort zum Ausprobieren sein. Wenn du deine Wünsche und sexuellen Fantasien klar und deutlich formulierst, erhöht dies die Chancen, dass sie in Erfüllung gehen.
Finde ein passendes Ende: Überlege dir, wann für dich ein guter Zeitpunkt wäre, um zu gehen. Mit längerem Konsum und Schlafentzug steigt das Risiko für schwierige Momente, Überdosierung und Neben- sowie Nachwirkungen.
Safer Sex Strategien
Du wirst vermutlich vielen begegnen, die aufs Kondom verzichten, weil sie auf PrEP oder HIV-Therapie sind. Safer Sex ist so verschieden wie die Menschen selbst – nur du weißt, womit du dich wohl fühlst. Du entscheidest selbst, wie du dich schützen willst.
Rechne damit, dass es dir im Rausch möglicherweise weniger wichtig sein wird, saferen Sex zu haben und sich deine Grenzen, mit wem oder was du sexuell machen willst, verschieben werden.
- Impfungen schützen gegen Mpox, Hepatitis A und B und HPV.
- Gummis, PrEP, HIV-Therapie: Vorbereitung ist hilfreich, habe genügend dabei.
- Ausreichend Gleitgel: Vermeide Verletzungen und Reizungen beim Sex
- Regelmäßige Tests auf HIV, Hepatitis C, Syphilis, Chlamydien und Gonorrhoe/Tripper. Bei regelmäßigem Chemsex kommen bakterielle STIs (die drei letztgenannten) öfters vor.
Safer Use Strategien
Mache dir bewusst, dass du im Rausch wahrscheinlich weniger motiviert sein wirst, beim Konsum auf Safer Use zu achten und sich deine Grenzen, welche Substanzen und wie du konsumieren willst, sich verschieben werden.
Allgemeine Safer Use Tipps:
- Nutze nur deine eigenen Konsumutensilien (Spritzen, Röhrchen, Löffel,…), um Infektionen zu vermeiden. Es kann eine Hilfe sein, die eigenen Utensilien mit farbigen Stickern oder Gummibändern zu markieren.
- Informiere dich vor dem Konsum über die Substanzen, die du nimmst.
- Lass andere Personen wissen, was du genommen hast oder noch nehmen willst/wirst.
- Miss deine Dosis immer selbst ab. Übergib die Verantwortung dafür nicht an andere. So behältst du garantiert die Übersicht.
- Manchmal dauert es länger, bis du die Wirkung merkst. Wenn du eilig wirst und nachlegst, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass es dir am Ende nicht gut geht.
- Es ist niemals okay, anderen Menschen ohne deren Wissen und Einverständnis Substanzen zu verabreichen! Du gefährdest damit das Leben der Person und machst dich strafbar. Wenn du so eine Situation beobachtest, hole dir Hilfe bei anderen und schütze die betroffene Person.
Schlucken, durch die Nase, up your bum, spritzen?
- Safer Sniffing: Je feiner du die Kristalle oder das Pulver zerhackst, desto besser ist das für deine Nase. Benutze nur dein eigenes Röhrchen, um STI oder andere Infektionen zu vermeiden. Du kannst nach der Line eine Nasenspülung machen, um deine Nase von Resten zu reinigen.
- Du kannst anstatt zu Sniffen auch sogenannte “Bömbchen” schlucken, wenn du deine Nase schonen willst. Denke daran, dass es dann länger braucht, bis du die Wirkung merkst.
- Safer Slamming: Slamming ist eine sehr risikoreiche Art zu konsumieren. Wenn du möglichst risikoarm konsumieren willst, verzichte lieber darauf. Hygiene ist wichtig, nutze nur sterile und deine eigenen Utensilien. Verwende zum Aufkochen nur steriles Wasser. Filter sollten nur einmal genutzt werden. Nutze möglichst dünne Nadeln, um deine Venen zu schonen.
- Slamming schädigt deine Venen und führt zu Vernarbungen.
- Up your Bum: Wenn du deine Venen schonen willst, kannst du “up your bum” (auch “Booty Bump”) konsumieren: Die Substanzen (z.B. Tina oder Mephedron) werden mit Wasser gemischt und ohne Nadel anal gespritzt. Wichtig: Substanzen wirken beim Booty-Bumpen deutlich stärker als beim Sniffen oder Schlucken!
- Up Your Bum reizt die Analschleimhaut, was das Risiko einer Infektion beim Sex erhöht. Um Infektionen zu vermeiden, lege vorher deine Safer Sex Strategie fest. Du kannst Reizungen ein bisschen vorbeugen, indem du vorher den Bereich von innen mit Gleitmittel einschmierst. Die Schleimhaut verheilt nach einigen Tagen Konsumpause. Du kannst Vitamin-E-Präparate nutzen (z.B. als Öl), um die Heilung zu unterstützen.
- Bei GHB/GBL: G ist ätzend und sollte nur verdünnt eingenommen werden. Vermeide es, pures G einzunehmen, um Schäden an deiner Haut, Zahnfleisch oder deinen Zähnen zu vermeiden. Um Überdosierung und Bewusstlosigkeit zu vermeiden, miss deine Dosis mit einer Pipette genau ab und lasse die Dosis zusätzlich von einer zweiten Person checken. Notiere dir deine Einnahmezeiten (alternativ geht auch ein Screenshot von der Uhrzeit auf deinem Handy), um nicht zu früh nachzulegen.
Substanzen mischen?
- G, Alkohol und Ketamin verstärken sich gegenseitig in ihrer betäubenden Wirkung. Durch das Mischen von G und Alkohol oder Ketamin wird es viel wahrscheinlicher, in eine medizinische Notfall oder gar lebensbedrohliche Situation zu geraten. Vermeide daher, die Substanzen zu kombinieren.
- Wenn Poppers und Viagra gemischt werden, belastet das dein Herz sehr stark. Die Kombi kann zu einem lebensbedrohlichen Blutdruckabfall führen.
Planung, Pausen, After-Care
Mache während der Sessions hin und wieder eine Pause, um deinen Kreislauf zu entlasten. Achte darauf, genug zu trinken und hin und wieder eine Kleinigkeit zu essen.
Nach einer längeren Session wird dein Körper Zeit brauchen, um wieder voll leistungsfähig zu sein. Versuche, die Erholungsphasen von mehreren Wochen in deinen Terminkalender einzuplanen.
Wenn du das Risiko einer Abhängigkeit kleiner machen willst, halte mehrwöchige Konsumpausen ein. Das kann dir helfen, andere Lebensbereiche wie dein Studium, die Arbeit oder deine Hobbies und sozialen Kontakte nicht aus den Augen zu verlieren. Einige User*innen haben gute Erfahrungen mit Regeln wie “Chemsex nur einmal alle sechs Wochen”.
Früh mit vertrauten Personen oder Berater*innen über deinen Konsum zu sprechen kann helfen, deine Gedanken zu ordnen und langfristig gut mit deinem Konsum und dir selbst umzugehen. Weiter unten findest du drogen-akzeptierende und sexpositive Beratungsstellen, an die du dich wenden kannst.
Grenzen
Fühle dich zu nichts verpflichtet: Achte auf dich: Tu nur das, was dir Spaß macht. Erlaube es dir, Drogen oder Sex abzulehnen und teile anderen deine Grenzen und Bedürfnisse mit. Du hast jederzeit das Recht, deine Grenzen neu zu ziehen oder zu gehen. Kein Schritt verpflichtet dich zu irgendeinem nächsten. Wenn du dich nicht wohlfühlst oder Dinge schräg laufen, sollte Schluss sein.
Du hast kein Recht darauf, mit jedem Sex zu haben: Akzeptiere die Grenzen anderer. Diese können sich im Verlauf der Session ändern. Wenn du unsicher bist, kannst du um Erlaubnis fragen. Wenn dein Gegenüber nicht mehr ganz da ist oder keine klaren Aussagen mehr treffen kann, dann kannst du mit dieser Person keinen einvernehmlichen Sex haben! Habe nur mit Menschen Sex, die bei Bewusstsein sind und dem Sex zustimmen.
Substanzkonsum lässt deine Grenzen verschwimmen: Im Moment kann sich das extrem geil anfühlen. Zugleich kann es sein, dass du im Nachhinein mit anderen Augen drauf schaust oder unangenehme Gefühle in Bezug auf die Situationen entwickelst. Es kann helfen, mit Menschen, denen du vertraust, darüber zu reden. Falls du lieber mit jemandem fremdes oder professionelles sprechen möchtest, gibt es in Berlin Orte, an die du dich wenden kannst.
Nach dem ersten Chill
Hoffentlich hattest du auf deinem ersten Chill eine gute Zeit! Möglicherweise kannst du aus den gemachten Erlebnissen etwas für dein nüchternes Leben mitnehmen – z.B. Selbstvertrauen gewinnen oder Scham ablegen? Möglicherweise bewertest du deine Erfahrung aber auch negativ oder schämst dich dafür. Das ist nicht unüblich und kann mit dem Runterkommen von der Droge zusammenhängen.
Hast du Bedenken, weil du im Rausch der Gefühle die PrEP vergessen oder das Kondom weggelassen hast, dann kannst du auch nach dem Chill noch eine HIV-Infektion verhindern, indem du dir die PEP holst. Damit die PEP gut wirkt, sollte so schnell wie möglich (innerhalb von 48 Stunden) damit angefangen werden.
Vielleicht war die Erfahrung für dich so positiv, dass du überlegst, Chemsex weiter in dein Leben zu integrieren. Damit es dir auch auf lange Sicht mit deinem Chemsex gut geht, brauchst du Regeln und Strategien. Es ist hilfreich, wenn du dir über deine eigenen Wünsche und Grenzen im Bezug auf Chemsex Gedanken machst, und diese vielleicht für die Zukunft aufschreibst. So kannst du über einen längeren Zeitraum immer wieder prüfen, ob du noch alles im Griff hast und dein Konsum für dich passt.
Über die Zeit können sich Muster einschleichen, die dir nicht gut tun:
- Du könntest wegen Chemsex andere wertvolle Lebensbereiche vernachlässigen
- Nüchterner Sex könnte seinen Reiz verlieren
- Die Wirkung der Substanzen kann schwächer werden, und du musst dann für denselben Effekt mehr konsumieren
- Aus einem „nicht aufhören wollen“ kann ein „nicht aufhören können“ werden
- Dein Fokus kann sich mit der Zeit verlagern von den Erlebnissen (also z.B. dem Sex) zum Substanzgebrauch/Rauschzustand an sich
- Du könntest in eine Spirale geraten, indem du den Katerzustand nach dem letzten High mit dem nächsten Substanzgebrauch zu bekämpfen versuchst, wodurch der nächste Kater noch unangenehmer wird und länger andauert
Es kann helfen, schon früh Ideen zu sammeln, was du tun könntest, wenn dir etwas schräg vorkommt. Folgende Fragen können dir eine Orientierung bieten:
- Wie soll mein Chemsex, mein Konsum aussehen? Welche Rolle soll er in meinem Leben spielen?
- Welche Bedürfnisse erfüllt Chemsex für mich? Was ziehe ich daraus, was ich sonst nicht bekomme? Wie könnte ich das eventuell auch anders bekommen?
- Was sind meine Grenzen? Welche Substanzen möchte ich nehmen, welche vermeiden? Welche Konsumformen sind für mich OK, welche nicht? Mit was für Partner*innen will ich Chemsex haben, mit welchen nicht? Wie lang soll es gehen? Welche Nebenwirkungen sind es mir wert, und welche nicht?
- Woran würde ich merken, dass ich über meine Grenzen gegangen bin oder die Kontrolle verliere? Was kann/sollte ich dann tun?
Der Chemsex-Check hilft dir, wenn du schauen willst, an welchem Punkt du gerade bist und ob es eventuell konkrete Dinge gibt, auf die du in Zukunft mehr achten möchtest. Den Chemsex-Check erhältst du online (zum Ausdrucken) oder auf Papier im Checkpoint BLN.
Beratungs-/Anlaufstellen
In Berlin gibt es mehrere Anlaufstellen, die akzeptierend und ergebnisoffene Beratung anbieten. Eine Übersicht findest du hier: