Was ist Chemsex?
Chemsex ist, wenn Menschen Sex und Drogen kombinieren – vor allem auf privaten Partys, die in der queeren Szene „Chills“ genannt werden. „Chems“ bezieht sich dabei auf chemische Drogen. Hier ein paar typische Szenarien:
Die Chems helfen nach, dass die Teilnehmenden gut gelaunt sind und für vieles offen. Intimität fällt leichter und fühlt sich intensiver an. Manche sind ganz auf Sex fokussiert und versaut drauf. Manche reden viel, auch über die intimsten Dinge. Manche sind in Datingapps oder Pornos vertieft.
Da einige Chems es schwer machen, hart zu bleiben, nehmen viele dazu noch Viagra & Co. High ist auch ein Orgasmus oft nur mit Mühe erreichbar.
Chills können aufregende und wertvolle Erfahrungen sein – doch nicht immer läuft im Rausch alles rund. Es kann z.B. Grenzüberschreitungen geben oder Notfälle wie Angstzustände, Krampfanfälle und Bewusstlosigkeit.
Vielen fällt es schwer, ein Ende zu finden und heimzugehen. In den Tagen danach droht ein Comedown mit Erschöpfung, Verstimmung und Antriebslosigkeit.
Wie erkenne ich Angebote von Chemsex?
Beispiele auf Deutsch:
- Magst du pp chems?
- Bin high und horny, Lust?
- Bock auf’n bare dreier jetzt? Chemsfriendly.
- Gerne long session
Beispiele auf Englisch:
- Into longtime 🚀🌪
- Kind of high and horny from party. You into that?
- High slam bottom pig here
- u horny now too? like session?
Vielleicht ist dir schon mal so ein Satz auf Datingportalen oder im Club begegnet. Mit diesen Codes zeigen Leute, dass sie Chemsex haben oder offen dafür sind.
Gängige Codes
- Chill, chillout
- Chemsex-Homeparty
- Afterhour
- Homeparty nach einer Clubnacht mit offenem Substanzgebrauch – muss nicht sexuell geprägt sein
- chems friendly, chemfriendly
- Interessiert an Chemsex
- long session, longtime, chem session
- Chemsex-Session
- Tina, Crystal, 💎, großgeschriebenes T mitten im Wort
- Konsum von Crystal Meth
- slam, slamming
- intravenöser Konsum (mit Spritze)
- Party, PnP, party and play
- Chemsex
- HnH, high and horny, high fun
- Chemsex
- Fly, Flug, Fliegen, ✈️, 🚀
- Konsum von Crystal Meth
- Clouds, 🌪, 💨, Fotos mit Wolken oder Rauch
- Rauchen von Crystal Meth
- high, drauf, druff, verpeilt, verballert, zugedröhnt, wired, spun
- Substanzgebrauch
- pp
- Poppers
- 🐒
- Konsum von Monkeydust
Will ich auf einen Chill?
Diese Fragen können bei der Entscheidung helfen:
- Suche ich sexuelle Abenteuer?
- Kenne ich meine Wünsche und Grenzen?
- Halte ich die Leute bei diesem Chill für aufmerksam und vertrauenswürdig genug, um mit ihnen Risiken einzugehen?
- Habe ich Zeit für den Comedown – am besten keine wichtigen Pläne für die nächsten Tage?
Erlaube es dir, Einladungen abzulehnen, wenn du dir nicht sicher bist. Die nächste Gelegenheit kommt bestimmt!
Tipps für deinen ersten Chill
- Äußere deine Wünsche: Chemsex-Partys können ein Ort zum Ausprobieren sein. Wenn du deine Wünsche und sexuellen Fantasien klar und deutlich formulierst, erhöht dies die Chancen, dass sie in Erfüllung gehen.
- Fühl dich zu nichts verpflichtet: Du musst nicht nehmen, was andere nehmen, oder nachlegen, wenn sie das tun. Du musst nicht mit allen ficken – oder überhaupt. Teile anderen deine Grenzen und Bedürfnisse mit. Lehne ungewollte Annäherungen höflich ab. Es ist immer OK, Stopp zu sagen, eine Pause einzulegen oder zu gehen. Kein Schritt verpflichtet dich zu irgendeinem nächsten.
- Achte die Grenzen anderer: Wenn deine Initiative nicht erwidert wird, frag lieber nach und warte ein eindeutiges „Ja“ ab. Wer zu high ist, um klar zu kommunizieren, kann auch nicht einwilligen. Denk dran, dass sich Grenzen im Verlauf der Session auch ändern können.
- Sei im Moment: High können auch Datingapps oder Pornos total faszinierend sein. Du entscheidest, wie lange du am Handy sein willst und wie viel du dich mit den Leuten vor Ort beschäftigst.
- Geh nicht bis ans Limit: Mach die Chems nicht zum Star der Show. Konsumiere bis zum gewünschten Effekt, nicht bis ans Limit. Wenn du eine Substanz zum ersten Mal probierst, taste dich mit einer geringeren Dosis an den Effekt ran.
- Behalte den Überblick: Behalte deine Sachen auf einem einzigen Haufen, damit du später nicht lange suchen musst und nichts vergisst. Nimm ein Akkupack und Ladekabel für dein Handy mit.
- Mach Pausen und trocke nicht aus: Achte darauf, wie es dir geht. Pausen entlasten deinen Kreislauf und kühlen dich ab. Trinke regelmäßig Wasser, Saft oder Sportdrinks, um nicht auszutrocknen. Trinke aber nicht aus fremden Gefäßen – darin könnte G sein!
- Finde ein gutes Ende: Überlege dir, wann für dich ein guter Zeitpunkt wäre, um zu gehen. Je länger du aufbleibst, desto eher treten Nebenwirkungen auf. Je mehr du nimmst, desto härter wird der Comedown. Fällt das Loslassen schwer? Gönn dir eine letzte Runde, aber stell dir einen Wecker und kündige an, dass du dann endgültig aufbrichst.
Bestimme dein Risiko
Chemsex ist mit Risiken verbunden. Manche davon kannst du reduzieren – aber nicht alle. Entscheide bewusst, welche du eingehst! Diese Symbole helfen dir bei der Einordnung:
- = kann helfen, gewisse Risiken gering zu halten
- = risikoärmere Konsumweise
- = möglicherweise problematisch
- = erhöhtes Risiko
- = besonders gefährlich / besonders schwer zu managen
Hab ein Auge auf die folgenden Risikobereiche:
Substanzen
Die meistverbreiteten Drogen für Chemsex sind verschiedene Stimulanzien (Tina, Mephedron & Co) und GHB/GBL. Oft spielen aber auch noch andere Substanzen eine Rolle. Eine Übersicht über ihre Besonderheiten und Risiken:
- = kann helfen, gewisse Risiken gering zu halten
- = risikoärmere Konsumweise
- = möglicherweise problematisch
- = erhöhtes Risiko
- = besonders gefährlich / besonders schwer zu managen
Stimulanzien
Diese aufputschenden Chems kommen als Pulver vor, die auf verschiedene Arten konsumiert werden können. Sie treiben an und steigern die Lust. Meist verursachen sie Erektionsstörungen.
Die Kombination verschiedener Stimulanzien bringt kaum Mehrwert, erhöht aber rasch die Risiken.
- = besonders intensiver Effekt
G
G (englisch ausgesprochen: „Dschie“) bezeichnet die eng verwandten Substanzen GBL oder GHB. Ihre Wirkung erinnert an die von Alkohol. Die beiden Varianten werden unterschiedlich dosiert und halten unterschiedlich lang an. In der Berliner Chemsex-Szene handelt es sich meist um GBL.
Der Gebrauch von G erfordert besondere Sorgfalt: Bereits bei einer geringen Überdosierung wirkt es stark einschläfernd. Bei akuten medizinischen Notfällen in Chemsex-Settings ist meist G im Spiel.
Weitere Substanzen
Diese Substanzen werden zusätzlich oder unter bestimmten Umständen genutzt:
Nach dem ersten Chill
Wie war’s?
Hoffentlich ist bei deinem ersten Chill alles gut gegangen! Möglicherweise kannst du aus den gemachten Erlebnissen etwas für dein nüchternes Leben mitnehmen – z.B. Selbstvertrauen gewinnen oder Scham ablegen? Vielleicht bewertest du deine Erfahrung aber auch negativ oder schämst dich dafür. Solche Gefühle können durch den Comedown vom Substanzgebrauch noch verstärkt werden – dieser geht jedoch vorbei!
Wenn du Bedenken hast, weil du im Rausch der Gefühle die PrEP vergessen oder das Kondom weggelassen hast, dann kannst du auch nach dem Chill noch eine HIV-Infektion verhindern, indem du dir die PEP holst. Damit sie gut wirkt, sollte so schnell wie möglich (innerhalb von 48 Stunden) damit angefangen werden.
Lass dich regelmäßig testen auf HIV, Hepatitis C sowie die bakteriellen STIs Syphilis, Chlamydien und Gonorrhoe/Tripper. Bei regelmäßigem Chemsex kommen vor allem letztere öfters vor.
Wie weiter?
Vielleicht war die Erfahrung für dich so positiv, dass du überlegst, Chemsex weiter in dein Leben zu integrieren. Damit es dir auch auf lange Sicht mit deinem Chemsex gut geht, brauchst du Regeln und Strategien. Sonst könnten sich über die Zeit Muster einschleichen, die dir nicht gut tun:
- Je häufiger und länger du Chems gebrauchst, um so unangenehmer und länger wird der Comedown danach
- Du könntest starkes Verlangen nach einer Droge oder der nächsten Chemsex-Session verspüren
- Du könntest deswegen andere wertvolle Lebensbereiche vernachlässigen
- Nüchterner Sex könnte seinen Reiz verlieren
- Die Wirkung der Substanzen kann schwächer werden, und du musst dann für denselben Effekt mehr konsumieren, was die Neben- und Nachwirkungen verstärkt
- Du könntest die Kontrolle über die Konsummenge und -dauer verlieren: Aus einem anfänglichen „nicht aufhören wollen“ kann ein „nicht aufhören können“ werden
- Dein Fokus könnte sich mit der Zeit verlagern weg von den Erlebnissen, die die Chems fördern und verstärken, hin zum Substanzgebrauch bzw. Rauschzustand an sich
- Du könntest in eine Spirale geraten, indem du den Comedown vom letzten Substanzgebrauch mit dem nächsten zu bekämpfen versuchst, wodurch der Kater danach nur noch unangenehmer wird und noch länger andauert
Die simpelste Maßnahme, um das Risiko für solche Entwicklungen zu reduzieren: Mach mindestens 4 Wochen Pause zwischen Chemsex-Sessions. Das gibt deinem Körper genügend Zeit zur Erholung und kann dir helfen, andere Lebensbereiche wie dein Studium, die Arbeit oder deine Hobbies und sozialen Kontakte nicht aus den Augen zu verlieren.
Es kann helfen, dir über die folgenden Fragen Gedanken zu machen:
- Wie soll mein Chemsex, mein Konsum aussehen? Welche Rolle soll er in meinem Leben spielen?
- Welche Bedürfnisse erfüllt Chemsex für mich? Was ziehe ich daraus, was ich sonst nicht bekomme? Wie könnte ich das eventuell auch anders bekommen?
- Was sind meine Grenzen? Welche Substanzen möchte ich nehmen, welche vermeiden? Welche Konsumformen sind für mich OK, welche nicht? Mit was für Partner*innen will ich Chemsex haben, mit welchen nicht? Wie lang soll es gehen? Welche Nebenwirkungen sind es mir wert, und welche nicht?
- Woran würde ich merken, dass ich über meine Grenzen gegangen bin oder die Kontrolle verliere? Was werde ich dann tun?
Mit der Übung „Chemsex-Check“ kannst du überprüfen, an welchem Punkt du gerade bist, und ob es eventuell konkrete Dinge gibt, auf die du in Zukunft mehr achten möchtest. Du findest sie online (zum Ausdrucken) oder auf Papier im Checkpoint BLN.
Beratungs-/Anlaufstellen
In Berlin gibt es mehrere Anlaufstellen, die akzeptierende und ergebnisoffene Beratung anbieten, wenn du Fragen hast oder Unterstützung brauchst. Eine Übersicht findest du hier: